Wie wichtig auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie persönliche Kontakte sind, zeigt das Ergebnis einer aktuellen neurowissenschaftlichen Studie der Universität Jena. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, unter welchen Bedingungen sich das menschliche Gehirn neue Gesichter am besten einprägen kann.
Denn die Fähigkeit, Gesichter wiederzuerkennen und deren Vertrautheit zu gewinnen, ist für uns Menschen überlebenswichtig. Ein persönlicher Umgang und ein gutes soziales Zusammenleben können nur funktionieren, wenn unser Gehirn vertraute Gesichter abspeichert und wieder abrufen kann. Allein während der Kinder- und Jugendjahre lernen wir im Durchschnitt 5.000 Gesichter kennen und können sie von neuen Gesichtern unterscheiden.
Die Forscher ermittelten nun, unter welchen Bedingungen unser Gehirn diese Vertrautheit durch die Gesichterwiedererkennung am besten aufbaut. Zu diesem Zweck wurde einem Drittel der Studienteilnehmer Fotos von prominenten Unbekannten vorgelegt. Einem weiteren Drittel wurde eine TV-Sendung mit ihnen noch unbekannten Darstellern gezeigt. Und bei dem letzten Drittel der Studienteilnehmer erfolgte ein persönliches Treffen mit unbekannten Personen.
Für eine spätere Auswertung wurden die Gehirnaktivitäten aller drei Gruppenmitglieder gemessen. Bei der Auswertung zeigte sich, dass es schon nach einer halben Sekunde zu den notwendigen Veränderungen in unserer Gehirnaktivität kommt, die Voraussetzung dafür ist, dass wir uns neue Gesichter gemerkt haben. Dieser wichtige Prozess als Bedingung dafür, dass neue Gesichter als bekannt wahrgenommen werden, funktioniert messbar besser, wenn uns der neue Kontakt persönlich von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht.
Beim Sehen im TV erfolgte der Prozess etwas langsamer, während lediglich die Betrachtung von Fotos diesbezüglich am ineffektivsten war. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die persönlichen Kontakte vor dem Hintergrund einer gehaltvollen sozialen Kompetenz besonders wichtig sind. Sie sind nach wie vor die beste Voraussetzung, um eine gute und dauerhafte zwischenmenschliche Vertrautheit aufzubauen.
Ambrus, GG et al.
Getting to know you: emerging neural representations during face familiarization
Journal Neurosci
5/2021